13. Januar 2016

Die Mexikanerin

Die Mexikanerin

 

Genau an dem Tag, als er die Mexikanerin kennenlernte, hatte er ein Buch gekauft. Auf dem Umschlag war das Gesicht einer Frau abgebildet, in Schwarz-weiß und ziemlich dunkel, ohne viel Details, aber sehr ausdrucksstark. Das Gesicht einer reifen, exotischen Frau, ein Gesicht, das ein Geheimnis barg, über das man nachdenken und spekulieren konnte, ein Bild, wie es ihm gefiel. In dem Buch waren noch andere, sehr gute Bilder von Menschen in Mexiko, aber die Frau auf der Titelseite berührte ihn am meisten. Er musste immer wieder an das Bild denken, als er ziemlich ziellos durch die Straßen der Stadt streifte, auf der Suche nach Eindrücken, vielleicht auch nach Erlebnissen, die man nur in einer Großstadt finden kann. Was ist der Grund, warum man allein in eine fremde Stadt fährt, warum man eine anstrengende Reise auf sich nimmt und sich aus der Geborgenheit und Vertrautheit des komfortablen Alltags begibt, wenn nicht, um mit etwas Neuem, etwas selbst Erlebten nach Hause zurückzukehren. Von dieser kurzen Reise kehrte er mit viel mehr zurück, als er sich je hatte vorstellen können. Was in diesen wenigen Tagen geschah, war ein massiver Eingriff in sein Leben, eine Freisetzung von Gefühlen, die er kaum noch kannte, ein unvergessliches Erlebnis. Er musste ich, als er wieder klar denken konnte, gestehen, dass er sich verliebt hatte und dass die Liebe auch schon wieder zu Ende war.

 

Er hatte eine kurze Städtereise gebucht, nur ein paar Tage in einer sehr attraktiven Stadt, nur von Samstag bis Dienstag. Die Zeit würde genügen, um ein paar Museen abzuklappern, um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten aufzusuchen, das Leben auf den Straßen zu beobachten und um eben diese Eindrücke zu sammeln und in Fotografien festzuhalten, auf die es ihm ankam. Die Museen waren großartig, die dort gezeigte Kunst überwältigend, die Sonderausstellungen zur Fotografie zweifellos eine Reise wert, aber irgendwann ist man zugedröhnt und vollgestopft und will dann nichts Neues mehr aufnehmen. Die Sehenswürdigkeiten verlieren ihren Reiz, wenn man zum x-ten Mal an ihnen vorbeigekommen ist und auch die schönsten Museen kann man nicht uferlos besuchen. So blieben nach einem anstrengenden Wochenende, nur noch die Straße für diese Eindrücke und auch die waren in der Tat höchst interessant. Das Hotel, in dem er ein Zimmer gebucht hatte, ohne über Lage und Ausstattung viel nachzudenken, war ganz ordentlich. Das Haus war zwar alt, die Teppichböden auf den Flurgängen schrecklich und der Aufzug hatte bestimmt schon mehr als fünfzig Jahre seinen Dienst verrichtet. Die Kabine war schäbig, der Mechanismus, den man in dem Schacht einsehen konnte, war archaisch. Man spürte bei jeder Fahrt das Alter, hörte das Ächzen, spürte das ruckartige Anfahren und Abbremsen. Ihm kam es vor, als füge sich ein gequälter, resignierter, alte Ochse in sein unvermeidliches Schicksal, immer und immer wieder um einen Brunnen herumzutrotten und das Schöpfrad in Bewegung zu halten. Von dem Aufzug und den Fluren einmal abgesehen, war das Hotel aber ganz passabel. Sein Zimmer war sauber, die funktionale Dusche lieferte die gewünschte Wassertemperatur auf Anhieb, das Personal, soweit er überhaupt mit jemandem in Berührung kam, war freundlich und das Frühstück war zwar immer dasselbe, aber reichlich und von guter Qualität. Er empfand das Hotel auch deswegen als angenehm, weil das Zimmer sehr günstig angeboten wurde, für seine Lage fast im Zentrum einer Weltstadt geradezu billig. Aber genau die Lage war auch der Grund für den günstigen Preis, denn es lag in einem Viertel, das als höchst problematisch und zugleich sehr exotisch gilt. Die Geschäfte waren in ihrer Mehrzahl exotisch, viele türkisch, dazwischen auch arabisch oder libanesisch oder sonst wie orientalisch. Ein Restaurant hieß „Teheran“, in einem anderen gab es afghanische Küche, im nächsten chinesische oder indische. Auf den Straßen sah man vor allem Menschen, die man sofort als Ausländer einstufte oder Typen, denen man ansah, dass es ihnen im Leben nicht besonders gut ging. Viele lungerten herum, hielten Bierflaschen in den Händen, diskutierten miteinander. Andere durchsuchten die Mülleimer nach Pfandflaschen, wieder andere versuchten, von den Passanten direkt ein paar Cents zu erbetteln. Die meisten waren zurückhaltend, manche aber auch durchaus aggressiv und penetrant. Und dann gab es natürlich auch die Frauen, die schon am frühen Morgen und in der ganzen Nacht ihrem eindeutigen Gewerbe nachgingen.

 

Die meisten, die zwischen betont forsch und scheinbar desinteressiert auf Kundschaft warteten, kamen vermutlich aus Osteuropa, jedenfalls war es klar, wenn sie den Mund aufmachten. Allerdings gab es auch viele Dunkelhäutige, die meisten ziemlich füllig und viele auch schon älter. Manche hatten ziemlich hässliche Gesichter oder unförmige Figuren, Riesenbrüste oder fett Ärsche und man fragte sich, welche Art von Kunden, sie so anziehend fanden, dass sie mit ihnen gingen. Andere waren aber durchaus jung, mit attraktiven Formen und Gesichtern, die durchaus nicht hässlich waren. Hinzu kam, dass manche richtig aufreizend und lasziv mit wogenden Hintern durch die Straßen wanderten. Von dem Fenster in seinem Zimmer im dritten Stock hatte er einen guten Blick auf die Straße, in der sich immer einige Bordsteinschwalben aufhielten. Er sah, direkt unter sich, wie sie warteten, herum schlenderten, ein paar Worte miteinander wechselten, sich an die Mauer lehnten, eine Zigarette rauchten, dann weiter gingen, die Straßenseite wechselten und schließlich aus seinem Sichtfeld verschwanden. Er hatte, weil er in Hotels immer sehr schlecht schlief, sie ziemlich lange beobachtet, aber nicht ein einziges Mal gesehen, dass tatsächlich einer der angesprochenen Männer mit der Lady mitgegangen wäre. Es waren schon sehr seltsame Typen, die er beobachtete, Frauen wie Männer, viele sahen total verlebt aus, einige waren offensichtlich verhaltensgestört, weil sie wild und lautstark diskutierten oder hektisch herumliefen, wie eingesperrte Zootiere. Gegenüber dem Hotel war ein Hof, der als Parkplatz diente und auf den sich immer wieder ein paar Gestalten verzogen, ganz bestimmt nur, um Drogen zu konsumieren oder sich zu erleichtern. Einmal kam eine Polizeistreife und nahm einen übel aussehenden Typ fest und führte ihn in Handschellen zum Streifenwagen. Seine Begleiterin, eine Frau undefinierbaren Alters, wurde zu Fuß abgeführt. In all der Trostlosigkeit gab es aber auch Lichtblicke. Zum Beispiel diese junge, schlanke Afrikanerin, deren wunderschöne Kurven und Formen in einem engen, gestreiften Kleid, bestens zum Ausdruck kamen. Er konnte, mithilfe seines kleinen Fernglases, vom Fenster aus sehen, dass sie wirklich ganz hübsche Gesichtszüge hatte und dass ihr Busen sehr voll war und der Anblick ihres wackelnden Hinterns einen puren Genuss darstellte. Er sah sie direkt unter sich, sah ihre Haare, ihren Ausschnitt, sah, wie sie wartete und auf roten Stöckelschuhen herum schlenderte und in der Hand eine sehr rote Handtasche hielt, die sie immer an ihren Körper presste, als habe sie Angst, jemand könnte sie ihr entreißen. Sie wird wohl ihre Erfahrungen gemacht haben, dachte er. Später stand er ihr sogar auf der Straße direkt gegenüber. Sie war auch vom Nahen durchaus attraktiv, vor allem ihr Körper, ihr Gesicht fiel dagegen etwas ab, zu stark geschminkt und nicht besonders intelligent. Er sprach sie an, sie wechselten ein paar Worte, und er versuchte sie für ein paar Fotoaufnahmen zu interessieren. Er hätte sie gerne eine Stunde lang bei Tag fotografiert und wäre auch bereit gewesen, sie dafür zu bezahlen. Doch das war wohl zu kompliziert für sie, denn sie reagierte ziemlich dümmlich und schien nur daran interessiert zu sein, schnelles Geld für vermutlich schlechten Service zu bekommen, an Kunst und wagen Versprechungen für den nächsten Tag hatte sie absolut kein Interesse.

 

Er wollte sie wirklich nur fotografieren und nicht vögeln. Ihre Absage war sogar verständlich, denn konnte man wissen, was ein solcher Typ wirklich wollte, dabei war er doch absolut harmlos. Er grämte sich auch nicht weiter, denn er sollte an diesem Abend die Mexikanerin kennenlernen, mit der er nicht nur fast die gesamte Nacht, sondern auch fast den ganzen nächsten Tag und die folgende Nacht und einen gar nicht eingeplanten weiteren Tag verbringen würde. Das ahnte er natürlich noch nicht, als ihm die schwarze Schönheit abblitzen ließ, aber vielleicht hätte er die Mexikanerin erst gar nicht kennengelernt, wenn sie zugestimmt hätte und das wäre auf jeden Fall ein arger Verlust und auf keinen Fall die paar Bilder mit der Schwarzen Wert gewesen. Die Mexikanerin war natürlich nicht die, die in dem Buch abgebildet war, das wäre ein zu abwegiger Zufall gewesen. Er wusste auch nicht, ob sie wirklich aus Mexiko stammte, jedenfalls sah sie der Frau in dem Buch irgendwie ähnlich und er hatte sie gleich der Kategorie Lateinamerika zugeordnet, schon als er sie zum ersten Mal sah. Sie stand vor dem Eingang des Hotels Imperial, trotz des hochtrabenden Namens und der imposanten Fassade, ein Überbleibsel aus der Zeit, in der viele Prachtbauten entstanden waren. Jetzt war es nur eine Absteige, besser gesagt ein Stundenhotel, und vor seinem Eingang warteten ständig ein paar der Damen. In diesem Beruf muss man warten können, um überhaupt nur das Notwendigste für ein karges Leben zu verdienen und auch die Mexikanerin, wie er sie für sich nannte, war eindeutig eine dieser Frauen, die sich verkaufen mussten. Sie war schon älter, er schätzte sie auf mindestens vierzig. Sie war weder groß noch schlank, aber nicht so klein und stämmig, wie ihrer afrikanischen Kolleginnen oder auch indigene Typen, die er vor allem von Fotos kannte. Sie trug einen ziemlich kurzen Jeansrock und darunter Hosen, die für irgendein Label Reklame machten. Ihre Jacke war aus billigem Kunststoff und ihre Handtasche ein verstaubt wirkendes Modell. Insgesamt war sie sehr zurückhaltend gekleidet, im Vergleich zu manchen Kolleginnen, die durch aufdringliche Make-ups, gefärbte und gestylte Haare oder knappe, sexy Kleidung Aufmerksamkeit erregen wollen. Das Faszinierendste an der Mexikanerin und der Grund, warum sie ihm nicht nur auffiel, sondern sogar ziemlich interessierte, war aber ihr Gesicht. Es erinnerte ihn sofort an das Bild auf dem Einband des neu gekauften Buchs. Es war ernst, verschlossen, geheimnisvoll und ganz eindeutig auch traurig. Sie erschien ihm auf eine seltsame Weise sowohl attraktiv und zugleich sehr traurig zu sein. Von der Hautfarbe, den schulterlangen Haaren und dem Gesichtsausdruck her, hätte sie auf jeden Fall in sein Buch gepasst und er stellte sich intensiv vor, wie er sie fotografieren würde, wenn er die Gelegenheit hätte. Er würde sicher noch bessere Bilder machen, noch eindringlichere, intimere als die in dem Buch, aber eine solche Gelegenheit würde sich sicher nie bieten. Er dachte an die junge Afrikanerin, die ihn hatte abblitzen lassen, genauso würde es die Mexikanerin tun, wenn er sie anspräche.

 

Er hatte sie schon von Weitem gesehen, von der anderen Seite des Platzes, an dem das Imperial stand. Er überquerte den Platz und ging, scheinbar gleichgültig, langsam an ihr vorbei. Sie schaute ihn an, machte aber nicht die üblichen Annäherungsversuche, und so blieb es bei diesem kurzen Kontakt, der eigentlich gar keiner war, aber es hatte gereicht, dass nun auch ihr Bild in seinem Kopf gespeichert war und auch der Wunsch, sie doch besser kennenzulernen. Er hatte sogar kurz erwogen, umzukehren und sie zu anzusprechen, mit ihr in das Hotel zu gehen, sie vielleicht sogar zu fragen, ob sie sich fotografieren lassen würde, aber dann ging er doch weiter und suchte sich ein Lokal für das Abendessen. Noch während er mit Essen beschäftigt war, bedauerte er, dass er es nicht getan hatte, dass er sie nicht angesprochen hatte, denn als er zurück zu seinem Hotel ging, stand sie natürlich nicht mehr im Eingang des Imperial und jemanden fragen, sich nach ihr erkundigen, gar in dem Hotel nach ihr zu forschen, wollte er natürlich auch nicht.

 

Es wäre eine kleine, unbedeutende Episode geblieben, wenn er der Mexikanerin am nächsten Tag nicht wieder begegnet wäre. Dieses Mal stand sie nicht im Eingang des Imperial, sondern saß am Tresen eines Etablissements mit dem seltsamen Namen „Frühaufsteher“. Er war schon in seinem Hotel gewesen, der Tag war, wie immer, anstrengend gewesen, auch nach dem Nachtessen war er noch durch einige der nachtdunklen, dadurch aber geheimnisvollen Straßen des Milieus getigert. Jetzt taten ihm die Füße gehörig weh und er war ganz froh, sich auf das Bett legen zu können. Er wollte eigentlich nur noch duschen, ein Weilchen aus dem Fenster die Nachteulen betrachten, ein Weilchen fernsehen und dann bald einschlafen. Aber da war erstens der Durst, besser gesagt, die Lust auf ein spätes Bier, der eingelegte Matjes war wohl doch zu salzig gewesen, im Hotel gab es jedoch keine Möglichkeit eins zu kaufen und er hatte weder Lust auf Wasser noch auf einen süßen Softdrink. Und zweitens war da ein Gedanke, der sich in seinem Hirn eingenistet hatte. In solch einer Stadt, dachte er, müsste es doch möglich sein, jemanden auch noch zur späten Stunde zu finden, mit dem man ein wenig plaudern könnte. Mehr wollte er ja gar nicht, nur etwas reden und dazu ein oder zwei Bier trinken. Allerdings nicht mit jedem reden, dazu hätte er nur einen der Typen auf dem Platz ansprechen müssen, ihm ein paar Euro geben müssen und schon hätte der ihn nach Belieben bequatscht. Nein, es musste schon ein attraktives, interessantes Gegenüber sein, eine Frau natürlich, nur mit denen lohnte es sich zu reden, nur die konnten auch ein paar positive, aufregende Gefühle durch ihre pure Anwesenheit erzeugen, ohne dass es gleich zu intimen Kontakten kommen musste. Er stand auf, zog die Schuhe wieder an, nahm hundert Euro aus seinem Portemonnaie und legte es in den Schrank. Es ist besser, dachte er, möglichst wenig dabei haben, falls doch noch ein Taschendieb auf der Straße war oder jemand anders, den sein gut gefülltes Portemonnaie glücklich machen konnte. Um solche Probleme zu vermeiden, ließ er auch seinen Fotoapparat im Zimmer, den er sonst immer dabei hatte. Er wollte nicht mehr viel herumwandern, die Füße hatte sich durch die kurze Ruhephase noch längst nicht erholt, und so suchte er gleich die Straßen auf, in denen er einige Lokale gesehen hatte, die infrage kamen. Er schaute durch die Fenster oder die Türen, um herauszufinden, ob sich ein Besuch lohne, ob ein Gesprächspartner in Gestalt einer einsamen Frau, die auf ihn wartete, zu sehen sei. Als er vor dem „Frühaufsteher“ stand und hinab sah, man musste in diesem Lokal vom Gehweg aus ein paar Stufen hinabsteigen, um die Bar zu betreten, fiel ihm sofort dieser Jeansrock auf, den er schon am frühen Abend gesehen hatte. Viel mehr war zunächst aus seinem Blickwinkel auch gar nicht zu erkennen, weder der Oberkörper noch das Gesicht der Frau, aber der Jeansrock und diese schwarze Hose, mit dem Aufdruck, kamen ihm sofort bekannt vor. Ohne länger zu zögern, stieg er die paar Stufen hinab und dann sah er auch ihr Gesicht und er hatte nun keine Zweifel mehr. Aber der Platz neben der Mexikanerin war belegt, jedenfalls hing auf der Stuhllehne eine Jacke. Er war etwas enttäuscht und sah sich nach einem anderen Platz um, vielleicht ergab sie später die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme, als die blonde Frau hinter der Theke, die Wirtin oder eine Angestellte, jedenfalls jemand, der schon beim ersten Blick die Kunden einschätzen konnte, sagte, er solle sich ruhig auf diesen Stuhl setzen, den habe nur der Istvan belegt. Sie musste gesehen haben, das er erst begehrlich die Mexikanerin und dann enttäuscht den Stuhl angeschaut hatte. Sie ermunterte ihn nochmals mit einer Handbewegung genau auf diesem Stuhl Platz zu nehmen, direkt neben der Mexikanerin, die ihn jedoch ignorierte, gar nicht mitbekam, dass jemand anders auf dem Stuhl an ihrer Seite Platz genommen hatte, weil sie nur vor sich hinstarrte, auf ein kleines Glas mit einer hellen Flüssigkeit, Tequila, wie er später erfahren sollte.

 

Nun saß er also neben der Frau, die er vor ein paar Stunden so gerne angesprochen hätte, es aber nicht gewagt oder schlicht verpennt hatte. Und wieder ging eine seltsame Faszination von ihr aus, obwohl sie ihn immer noch nicht zur Kenntnis nahm. Sie schien ziemlich weggetreten zu sein, denn sie starrte mit ausdruckslosem Gesicht in eine ungewisse Ferne, so als ob sie Tagträumen nachging oder zahlreiche Probleme wälzen müsste. Ihr Verhalten irritierte ihn, er meinte, eine solche Frau müsse sofort jede Gelegenheit zu einer Kontaktaufnahme ergreifen, immer als Erste initiativ werden und nicht warten, bis sie angesprochen wurde. Aber er hatte ja Zeit und zumindest nun auch die Gelegenheit, die interessante Frau aus nächster Nähe eingehend betrachten zu können. Wieder ging vor allem von ihrem Gesicht eine seltsame Faszination aus. Es war von einer herben Schönheit, die Haut war ein mittleres Braun, die schulterlangen Haare sehr dicht und tiefschwarz. Er schätzte sie nun sogar auf mehr als vierzig, aber das tat der Faszination, die sie ausstrahlte, keinen Abbruch. Während er sie nun auch versunken betrachtete und sie ihn immer noch ignorierte, ergriff die Wirtin die Initiative. Sie fragte ihn, was er wolle. Ein Bier, war die Antwort. Er trank immer nur Bier, wenn er in eine Wirtschaft ging, ohne die Absicht etwas zu essen. Selbst beim Besuch einer Nachtbar, so etwas Ähnliches war dieser Laden doch, machte er da keine Ausnahme. Aber solche Bars suchte er nur höchst selten auf. Er konnte sich gar nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal auf einem richtigen Barhocker in einer richtigen Bar im Rotlichtmilieu gesessen hatte. Wanda, eine blonde Polin aus Stettin und in den besten Jahren, stellte das Pils vor ihn hin und sagte dann zu der Mexikanerin: „Wach auf, Consuela! Kundschaft für dich.“ Er war über den Begriff Kundschaft etwas verwundert, denn im Moment fühlte er sich nicht als Kunde dieser Frau, sondern nur als Gast, der höchstens auf ein bisschen Unterhaltung hoffte. Consuela sah nun auf, sah ihn ernst an, allerdings ohne jedes Anzeichen des Erkennens und lächelte schließlich schüchtern, ein Lächeln, das er nicht erwartet hatte, weil ihre Augen dieselbe Traurigkeit ausstrahlten, wie vor ein paar Stunden, als sie noch im Eingang des Imperial gestanden hatte. Es hätte ihn viel weniger gewundert, wenn eine Frau wie sie, gleich in die Vollen gegangen wäre, die Gelegenheit zum Anbandeln sofort ausgenützt hätte. Aber nein, sie schaute ihn schüchtern an, wie ein Schulmädchen, und die Traurigkeit verlor sich auch nicht aus ihrem Blick und sie versank wieder umgehend in ihre Träume, so als ob die Störung gar nicht stattgefunden hätte. Stattdessen tauchte nun an seiner anderen Seite der Mann auf, der den Stuhl belegt hatte, ein junger, etwas verwirrt wirkender Ungar, der sich als Istvan vorstellte und ihn gleich anquatsche und sofort versuchte, ein Bier zu schnorren. Wanda versuchte ihn abzulenken und er hörte an diesem Abend noch oft die Worte: „Istvan geh Hause, du bist besoffen, lass den Mann in ruhe und auch die Consuela. Die will nix von dir, kapier endlich.“ Aber Istvan gab erst Ruhe, als er sein Bier bekommen hatte, danach interessierte ihn erst einmal gar nichts mehr, was um ihn herum geschah.

 

Später, im Laufe des Abends und der beiden nachfolgenden Tage, erfuhr er, dass Consuela zwar keine Mexikanerin war, aber aus Guatemala kam, also durchaus aus der Gegend, in der er sie verortet hatte. Und erfuhr auch den Grund für ihre Traurigkeit, es waren ihre beiden Kinder, die sie in der Heimat zurückgelassen hatte, um hier Geld zu verdienen. Das quälte sie sehr, denn das Fehlen ihrer Kinder machte ihr zu schaffen. Die beiden Töchter wuchsen nun in der Obhut der Großmutter auf. Aber sie hatte keine andere Möglichkeit gesehen, als in der Fremde Arbeit zu suchen, nachdem ihr Mann sie wegen einer Jüngeren verlassen hatte und in keiner Weise zum Wohle seiner beiden Kinder beitrug. Sie war nach einem Besuch von Verwandten, die in Spanien lebten, im Land geblieben, hatte sogar eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis für Europa und versuchte auf redliche Weise Geld zu verdienen. Sie musste aber bald einsehen, dass sie nie auf einen grünen Zweig kommen würde. Als man ihr sagte, in Deutschland gäbe es viel mehr Möglichkeiten, es sei ein reiches Land, da bekäme jeder etwas von dem Reichtum ab, hatte sie es geglaubt und war nun seit zwei Jahren hier und seitdem enttäuscht, weil es auch hier nicht so einfach war. Alle Versuche, eine normale, ordentlich bezahlte Arbeit zu bekommen, scheiterten, wenn nicht an der fehlenden Qualifikation, dann an ihren fehlenden Deutschkenntnissen. Schließlich war sie gezwungen, das zu tun, was sie auch ohne große Sprachkenntnisse konnte, wenn auch immer am Rande der Legalität und immer mit der Angst, trotz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis, abgeschoben zu werden. Mit der Zeit hasste sie es geradezu, in einem Beruf tätig zu sein, den sie nie angestrebt hatte, für den sie kein Talent besaß und dem sie somit auch ziemlich lustlos nachging. Und auch in diesem Beruf hatte sie meistens das Nachsehen, weil die aggressiven, viel jüngeren Osteuropäerinnen oder die deutlich billigeren Nutten aus Afrika ihr regelmäßig die Kunden wegschnappten. Deshalb tat sie gerade mal das Nötigste, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und regelmäßig Geld an die Oma zu schicken, um so für die Ausbildung der Kinder zu sorgen, was ihr sehr am Herzen lag und ihr die Motivation gab, trotz allem, weiterzumachen. Sie hatte aber auch nichts unternommen, um ihre Qualifikation zu verbessern und sich nach anderen Möglichkeiten umzusehen und ihre Deutschkenntnisse blieben rudimentär, denn sie hatte vor allem Umgang mit ein paar Frauen, die Spanisch sprachen, somit war sie nicht gezwungen, mehr Deutsch zu lernen, als das, was sie für ihren Job brauchte. Da sie auch nur ein paar Brocken Englisch sprach, war das eine weitere schlechte Voraussetzung für eine Karriere in diesem Land. All das waren ausreichende Gründe für ihre Enttäuschung und ihren Frust, für ihre Traurigkeit und ihre Resignation, die sie auf der Straße nicht zeigen konnte, um nicht auch noch die letzten Kunden abzuschrecken. Aber hier, im „Frühaufsteher“, ihrem Stammlokal, irritierte das niemanden, hier waren genügend Enttäuschte und Desillusionierte und hier fand sie wenigstens ein bisschen Trost und Unterstützung.

 

Das alles erfuhr er später, als er sie besser kannte und sie sich in vielerlei Hinsicht näher gekommen waren, aber noch wusste er nichts von ihr, außer dass sie Consuela hieß, dem horizontalen Gewerbe nachging und neben ihm saß. Eine wichtige Sache gab es doch noch, zuerst ein unbestimmtes Gefühl, das mehr war, als reines Interesse, ein Bauchgefühl, das langsam in seinem Gehirn Eingang fand, ihn verwirrte und verunsicherte, er merkte nämlich immer deutlicher, dass ihm diese seltsame Frau gefiel, gut gefiel, sogar ausnehmend gut gefiel, obwohl sie immer noch vor sich hinstarrte und ihn ganz offensichtlich ignoriert. Um von dem penetranten Istvan loszukommen und das Eis endlich zu brechen, fragte er sie, was sie da in ihrem Glas habe und ob er ihr einen neuen Drink bestellen könne. Sie reagierte nicht, aber an ihrer Stelle antwortete Wanda. Das da sei Tequila und Consuela würde bestimmt noch einen vertragen, nicht wahr, Conse? Heute habe sie einen beschissenen Tag, fuhr Wanda erklärend fort, denn heute habe sie noch keinen Cent verdient, den ganzen beschissenen Tag habe sich noch kein beschissener Freier an sie ran gemacht, nur Istvan, dieser beschissene Schmarotzer, der selbst keinen Cent übrig habe. Das sei ja wohl Grund genug, sich beschissen zu fühlen, beendet Wanda ihre Erklärung und ohne Consuelas Antwort abzuwarten, stellte sie ein volles Glas Tequila vor sie hin. Es war sich nicht sicher, ob Consuela mitbekommen hatte, was Wanda gesagt hatte, darum fragte er sie, ob sie wirklich einen so beschissenen Tag gehabt habe. Consuela schaute ihn nun doch wieder an. Sie schien erstaunt zu sein, dass jemand neben ihr saß und sie ansprach und etwas von ihr wissen wollte. Vielleicht sogar ein wenig verärgert, dass er sie aus ihren Träumen aufgeweckt hatte. Ihre Gesichtszüge veränderten sich jedenfalls, sie verklärten sich etwas und sie hörte auf, vor sich hinzustarren, war dafür einen Moment lang irritiert, als müsse sie sich erst in der Gegenwart zurechtfinden, dann sagte sie langsam, mit dunkler, rauchiger Stimme: „Ok, un Tequila mas“. Dann erst merkte sie, dass dieser bereits vor ihr stand und das war dann doch ein Grund, das Gesicht zu einem Lächeln zu verziehen und von nun an in der Gegenwart zu bleiben. Sie nahm einen Salzstreuer, schüttete ein wenig Salz in das Glas, hob es an, drehte sich ihm zu und sagte „Salud“.

 

Erst nachdem sie einen kräftigen Schluck genommen hatte, beteiligte sie sich an der Unterhaltung, die er mit ziemlich banalen Fragen fortführte. Es fiel ihr aber offensichtlich schwer, zu verstehen, was er sagte, geschweige denn, richtige Antworten zu formulieren. Erst als beide merkten, dass ihre Unterhaltung besser in Spanisch fortgesetzt wurde, sie, weil es ihre Muttersprache war, er wegen einiger Reisen nach Lateinamerika, bei denen er gezwungen war, sich das Nötigste anzueignen, brach das Eis. Nun erst begannen sie sich richtig zu unterhalten, nun erst achtete Consuela darauf, was er sagte, nun erst war sie in der Lage, auch ihm etwas zu sagen. Er merkte rasch, dass sie nicht oft die Gelegenheit hatte, dass ihr ein Mann wirklich zuhörte, dass er sie nicht nur vögeln wollte, sondern eine richtige Unterhaltung anstrebte. Sie schien dafür richtig dankbar zu sein, jedenfalls erzählte sie ihm bei ein paar weiteren Tequilas ihrerseits und ein paar Pils seinerseits, wie schwierig das Leben hier sei, wie kompliziert hier alles sei, was sie alles nicht konnte und nicht mochte und dass sie doch kaum etwas ändern konnte. Ob eher zufällig oder doch von ihm gelenkt, kamen sie noch einmal auf diesen bescheuerten Tag zu sprechen. Ermutigt durch ihre offensichtliche Zuneigung, die sich wundersamerweise während der Unterhaltung eingestellt hatte und einer kleinen Geste, die ihren Bedarf an Zärtlichkeit zeigte oder vielleicht auch nur zu der Routine einer Kontaktanbahnung gehörte, sie hatte jedenfalls eine Hand auf sein Knie gelegt und streichelte es sanft, fragte er sie, ob sie mitkommen wolle, in sein Hotel, dann könne sie wenigstens noch ein paar Euro in dieser Nacht verdienen. Sie schien auf seinen Vorschlag nur gewartet zu haben, denn sie war sofort bereit, schließlich ging sie ja auch hier in der Bar ihrem Gewerbe nach. Mit dem Hinweis an Wanda, sie seien bald wieder da, nahm sie seine Hand und zog ihn mit sich fort und gab ihm kaum Zeit, bei Wanda seine Zeche zu bezahlen.

 

Auf der Straße hakte sie sich bei ihm ein, um so zu demonstrieren, dass er ihr gehörte und er spürte ihren Leib an seiner Seite und den Duft nach einem billigen Parfüm, der in der verräucherten Bar gar nicht bis zu seiner Nase gedrungen war. Doch schon nach ein paar Schritten blieb er stehen und sagte, dass es wahrscheinlich Probleme gäbe, wenn sie mit auf sein Zimmer kommen wolle. Das Hotel mache ihm nicht den Eindruck, dass man jederzeit Besuch auf das Zimmer mitnehmen könne, zumindest müsse er wohl für sie extra bezahlen und sie müsste sich ausweisen. Ob sie das könne, ob sie einen Ausweis dabei habe. Sie schüttelte den Kopf. Sie sei nicht illegal hier, sagte sie, aber die Aufenthaltserlaubnis sei ein so wichtiges Dokument, dass sie es nur mitnähme, wenn es unbedingt sein müsse. Die Gefahr, dass ihr jemand Geld, Ausweise, ja die ganze Handtasche klauen würde, sei zu groß, deswegen habe sie auch nur eine alte, unattraktive Handtasche und alles was da drin sei, sei leicht zu ersetzen, stelle selbst für sie keinen Verlust dar. Gehen wir in das Hotel, wo ich dich heute schon einmal gesehen habe. Erst jetzt ließ er heraus, dass er sie schon vom Sehen kannte. Ihr Gesicht verriet keine Regung, überhaupt hatte sie ihre Züge immer sehr unter Kontrolle, immer dieser leicht traurige, leicht weltfremde Ausdruck, der sich nur veränderte, wenn sie Rage geriet, bei Themen, die sie ganz besonders betrafen. Sie nickte nur, hakte sich wieder ein und nun gingen sie zielstrebig zu dem Stundenhotel, in dessen beleuchtetem Eingangsbereich, wie könnte es anders ein, zwei Frauen standen, die Consuela im Vorbeigehen zunickten. Sie mussten, um an die Rezeption zu kommen, eine halbe Treppe hochsteigen. Ein dünner, fahrig wirkender Mann fragte, wie lange sie bleiben wollten. Ein halbe Stunde für 12 Euro, eine Stunde für 22, blieben sie länger, gäbe es Rabatt, eine ganze Nacht ohne Beschränkung sei für 100 zu haben. Wenn sie kürzer buchten, würde er rechtzeitig an die Tür klopfen und wenn sie dann nicht pünktlich kämen, müssten sie für jede angefangen halbe Stunde 10 Euro nachbezahlen. Es gäbe hier klare, simple Regeln und das alles wisse aber seine Braut auch ganz gut, dabei grinste er Conuela an, aber ihr Gesicht blieb ausdruckslos. Da von den Hundert Euro, die er mitgenommen hatte, schon einige bei Wanda geblieben waren und er ihr, auf dem Weg in das Imperial 50 Euro versprochen hatte, war eine andere Entscheidung, als die halbe Stunde, schon gar nicht mehr möglich. Consuela schien es egal zu sein, sie wollte ihre Einnahmen nicht, wie sonst üblich, mit allen Mitteln erhöhen. Er hatte ihr 50 versprochen und nur das war für sie wichtig. Der Mann trug die Zeit in einem zerfledderten Buch ein, gab ihm den Schlüssel, zwei Handtücher und ein Stückchen eingepackte Seife. Nummer 9, sagte er noch, seine Braut, wieder dieser etwas mokante Begriff, wisse, wo das sei und, wie gesagt, er käme rechtzeitig und würde klopfen.

 

Consuela war, als sie die Zimmernummer gehört hatte, vorausgegangen und er musste sich beeilen, ihr zu folgen, sie nicht aus den Augen zu verlieren und sich in den verwinkelten Gängen nicht noch zu verlaufen. Aber sie hatte an der Ecke gewartet, bis er kam und so viele Ecken gab es dann auch nicht, bevor sie vor der Nummer 9 standen. Er schloss auf und sie betraten ein kleines, kahles Zimmer, in dem nur ein breites Bett, eine Duschkabine aus Plastik und ein Stuhl waren. An der Wand noch ein paar Haken für die Garderobe, also nur das Notwendigste, das man für den Zweck eines solchen Aufenthalts brauchte. Sie standen ein wenig unschlüssig in dem Zimmer herum und er hoffte, dass sie keine unnötigen Zicken machen würde, denn er hatte nicht abgesprochen, was er von ihr erwartete, aber sie hatte in der Bar nicht den Eindruck gemacht, dass sie ihn verarschen wollte. Im Gegenteil, er hatte, je länger sie zusammengesessen waren, um so mehr den Eindruck gewonnen, dass diese Frau ihn mochte, gern in seiner Gegenwart war und dass sie in ihm wohl ein wenig mehr sah, als bei einem ganz normalen Kunden. Das bildete er sich jedenfalls ein und er sollte sich nicht getäuscht haben. Nach einem kurzen Moment des Zögerns sagte Consuela, vielleicht sei es eine gute Idee, erst einmal zu duschen, zusammen zu duschen, wenn er wolle. Ihr würde es Spaß machen. Er stimmte sofort zu und schon begann sie, die Jacke und dann die Bluse auszuziehen und den Jeansrock und die schwarzen Leggins abzustreifen. Als sie jetzt, nur in dunklem Slip und schwarz-weiß gestreiftem BH vor ihm stand, war sie immer noch ganz ansehnlich, obwohl sie vermutlich deutlich über vierzig sein musste. Sie war ja nicht groß und ziemlich kompakt, aber sie hatte nur wenig Fettpolster angesammelt, ihre hellbraune Haut war makellos, ihre schwarzen Haare, glatt, aber üppig, reichten bis auf die Schulter und ihr Gesicht, obwohl immer noch mit diesem traurigen Grundausdruck, war die wahre Zierde dieser Frau. Er schaute sie an, während er, auf der Bettkante sitzend, die Hose auszog. Sie merkte sein Interesse und stellte sich in Position, ein Bein vor, das Knie gebeugt, die Hände in die Hüften, wackelte sie mit dem Hintern, dann mit den Brüsten, die voll, wenn auch nicht besonders groß waren. Sogar ein Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie merkte, wie er sie gebannt anstarrte. Dann fragte sie ihn, ob sie ihm gefalle und als er nickte und sagte „me gustas mucho“, schien auch sie beglückt zu sein.

 

„Vien, solo tenemos poco tiempo“. Sie mussten sich beeilen, die halbe Stunde ist schnell vorüber. Mit geübten Griffen streifte sie die restlichen Kleidungsstücke von ihrem Leib, ging in die Duschkabine und drehte den Hahn auf. Es war wenig Platz in der Plastikkammer und so mussten sie sich eng aneinander drücken, während das lauwarme Wasser über die vereinten Körper rieselte. Sie übernahm als Erste die Arbeit und seifte ihn sehr sorgfältig vom Kopf bis zu den Füßen ein, und nachdem sie wieder alles abgespült hatte, widmete sie sich noch einmal sorgfältig seinem Glied, das inzwischen schon beträchtliche Gestalt angenommen hatte. Aber ihre Handlung war nur darauf ausgerichtet, es akribisch zu säubern und nicht, es mehr zu erregen. Aber ein Mann kann natürlich die Erregung nicht außen vor halten, wenn er nackt mit einer ebenfalls nackten, dazu noch attraktiven Frau in einer engen Dusche steht. Als sie fertig war und mit ihrem Ergebnis zufrieden war, ermunterte sie ihn, mehr mit Gesten als mit Worten, jetzt auch ihren Körper einzuseifen und es kam ihr dabei besonders auf ihre Brüste an, schöne, feste Brüste, zwar relativ klein, aber mit großen, steilen Brustwarzen und tiefbraunen Höfen. Als er sie in die Hand nahm und an den Warzen rieb und sie dann in den Mund nahm und daran lutschte und sog, bis groß und fest, regelrecht erigiert waren. Consuela stöhnte auf, reckte ihm die Brust zu, aber dann sagte sie, er solle fortfahren mit einseifen und abspülen. Kaum war er mit diesem Körperteil fertig, nahm sie seine Hand und führte sie zu ihrem Intimbereich, ein Zeichen, auch diesen sorgfältig zu bearbeiten, nicht zu vergessen, ihr festen Pobacken und die Falte zwischen ihnen. Sie genoss auch diesen Teil der Reinigung ganz offensichtlich, denn sie schloss die Augen und er hörte, wie sie leise stöhnte und er spürte die Vibrationen und sanften Zuckungen, die durch ihren Körper wallten. Nachdem diese abgeklungen waren, begann sie leise eine Melodie sie summen, zweifellos ein weiteres Zeichen ihres Wohlbefindens. Sie hatten unter der Dusche ziemlich viel Zeit verplempert, nein, so konnte man es nicht sagen, es war nützliche, gut investierte Zeit, quasi ein feuchtes Vorspiel, denn nun waren beide erregt. Als sie, ohne sich abgetrocknet zu haben, neben dem Bett standen, sich nun wild umarmten, sich aneinander pressten, Brust an Brust, Bauch an Bauch und sie mit ihren Oberschenkeln, einen der seinen fest umschloss, wie einen Schraubstock festhielt, geschah auf einmal etwas, mit dem er nie gerechnet hätte. Consuela begann ihn völlig selbstverständlich zu küssen, intensiv auf den Mund zu küssen, dann mit ihrer Zunge in seinen Mund einzudringen, herumzutoben, dann mit Lippen und Zunge sein Gesicht zu bearbeiten, dazwischen immer wieder ausgedehnte Zungenküsse, die ihn ganz wahnsinnig erregten, ihn immer geiler machten und ihn drängten, auch sie zu küssen und in ihrem Intimbereich zu liebkosen. Sie merkte, was er wollte, ohne dass er ein Wort sagen musste, ließ ihn los, ließ von ihm ab, legte die ziemlich großen Handtücher nebeneinander auf das Bett und nun begann ein heißes, ausgedehntes Liebesspiel in verschiedenen Lagen und Stellungen, wie es sicher normalerweise zwischen einer Nutte und ihrem Kunden nicht erfolgt, es vielmehr so war, wie es frisch Verliebte machen, die heiß aufeinander sind und ein festes Ziel vor Augen haben. Trotz aller Erregung, trotz aller Herrlichkeit des Augenblicks, konnte er den Gedanken nicht los werden, dass der Typ von der Rezeption schon bald klopfen würde und dass er, wenn er Consuela das versprochene Geld gab, nichts mehr für eine Verlängerung übrig hätte. Während sie hingebungsvoll an seinem, nach wie vor ungeschütztem Glied leckte, teilte er ihr keuchend und nach Luft ringend, seine Befürchtung mit. Sie hielt einen Moment inne, sagte dann, er solle dem Typ die 50 Euro geben, er könne sie ja morgen wieder treffen, er müsse sie wieder treffen, sie brauche ihn, sie liebe ihn, da käme es doch nicht auf das bisschen Geld an und jetzt wolle sie sich wieder den wichtigen Dingen des Lebens widmen und fuhr fort, sein Glied ungestüm mit Zunge und Lippen zu umgarnen.

 

Als es kurz darauf tatsächlich klopfte, lösten sie sich, er legte ein Handtuch um die Hüften, nahm seinen Fünfziger und fragte nur, wie lang die Zeit jetzt es reichen würde. Dann war er wieder bei Consuela und sie fuhr fort, ihn nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen und dasselbe von ihm einzufordern. Sie ließ sich Zeit und war sehr geschickt, aber er hatte immer das Gefühl, dass sie nicht ihr berufliches Repertoire abspulte, sondern dass es für sie ein echtes Bedürfnis war, Zärtlichkeiten in möglichst großer Übereinstimmung auszutauschen. Als er sich schließlich nicht länger beherrschen konnte und es ihr sagte, ließ sie von ihm ab, kramte in ihrer Handtasche und reichte ihm ein Kondom. Er musste die Zähne zur Hilfe nehmen, um die Packung aufzureißen und es gelang ihm kaum, es mit seinen flatternden Händen überzustreifen, während Consuela sich breitbeinig ausgestreckt hatte und ungeduldig darauf wartete, dass er sie eindrang. Ihr Orgasmus kam sehr rasch, sie stöhnte laut auf und ihr Körper zuckte und wand sich fast wie in Krämpfen und sie stieß ihr Becken heftig an seines und ihre Hände krallten seinen Rücken und seinen Hintern. Auch er konnte der Erlösung freien Lauf lassen und er stellte verwundert fest, dass sie beide ihren Höhepunkt fast zur gleichen Zeit bekommen hatten, ein Ereignis, an das er sich kaum noch erinnerte und das ihn tief berührte und befriedigte. Während er nun rasch abschlaffte und sich nach Erholung sehnte, wollte Consuela immer noch mehr, hörte nicht auf, ihn zu bedrängen und zu bearbeiten und ihr Orgasmus wiederholte sich dann auch noch ein paar Mal, während er große Mühe hatte, bei der Sache zu bleiben und ihr wenigstens noch ein bisschen von dem zu geben, was sie so sehnsüchtig begehrte. Als auch sie endlich zur Ruhe kam und beide erschöpft und schwer atmend nebeneinanderlagen, war er sich sicher, dass dieser Beischlaf einer seiner schönsten gewesen war. U

 

Dasselbe hatte auch Consuela empfunden, denn als sie im Verlauf des nächsten Tages über ihre erst Nacht sprachen, sagte sie, dass sie seit der Zeit, als sie noch mit ihrem Mann glücklich war, mit dem, der sie verlassen hatte, nachdem er zwei Kinder gezeugt hatte und der dann sie und die Töchter verlassen hatte, seit dieser Zeit habe sie nie mehr mit einem Mann richtig geschlafen, obwohl sie, wie er ja wisse, jeden Tag mit möglichst vielen schlafen müsse, um auf ihre Kosten zu kommen. Aber es sei nun mal ein Unterschied, ob man mit einem Mann schlafen will oder schlafen muss. Mit ihm, versicherte sie glaubhaft, wolle sie schlafen, richtig schlafen. Sie habe diesen Wunsch sofort gehabt, als sie aus ihrem Tran erwachte und erstaunt feststellte, dass er neben ihr saß. Sie habe gleich das Gefühl gehabt, dass es in dieser bis dahin beschissenen Nacht, noch so etwas wie Liebe bekommen könnte, dass sie miteinander schlafen würden, aber es nicht nur das übliche Geschäft wäre. Und es sei ja auch so gekommen und deswegen sei sie ganz froh gewesen, dass er sein Geld dem Imperial und nicht ihr gegeben hatte. Sie hätte für ihre Liebe kein Geld von ihm annehmen können, ohne vor Scham in den Boden zu versinken. Aber noch war es nicht der nächste Tag, noch war es die Nacht im Imperial und es war dann schon fast vier, als sie mit ihren Liebesspielen, unterbrochen von kurzen Ruhephasen, fertig waren und die Zeit nun auch endgültig abgelaufen war. Sie gingen, eng umschlungen und sich immer wieder küssend zurück in den „Frühaufsteher“ und als er anfing sein restliches Geld zu zählen und sich zu überlegen, für was das Bisschen überhaupt noch reichen würde, sagte Wanda ganz spontan und ohne die Hintergründe zu kennen, er könne anschreiben lassen, denn er käme morgen wieder, da sei sich sicher, so verliebt wie er Consuela anstarre. Zu ihr gewandt, fuhr sie fort, ob der Tag oder die Nacht denn noch einen schönen Abschluss gebracht habe, Consuela antwortete nicht, es war gar nicht nötig, man sah ihr das Glück an. Er verabredete sich mit ihr zum Mittagessen in einem Restaurant, in dem er schon einmal gegessen hatte, versprach Wanda wiederzukommen und seine Zeche zu bezahlen, dann verabschiedeten sie sich mit einem langen Kuss. Gegen fünf war er endlich in seinem Bett und überzeugt, dass er sich verliebt hatte, nach vielen Jahren hatte ihn die Liebe noch einmal gepackt. Beschwingt schlief er ein und nach ein paar Stunden Schlaf wachte er rechtzeitig auf, um im letzten Moment noch etwas vom Frühstück zu ergattern, bevor es abgetragen wurde.

 

Er war glücklich und ratlos. Keine Frage, dass er Consuela noch einmal treffen wollte. Keine Frage, dass er sich nichts Schöneres vorstellen konnte, als einen Tag und dann auch noch eine Nacht mit ihr zu verbringen, das hatte er sich jedenfalls fest vorgenommen, und all diese Freuden noch einmal zu genießen, die zu spenden nur sie in der Lage war. Aber sein Zug ging genau um 13.30 und nun musste er erst einmal umdisponieren. Er checkte im Hotel aus, brachte sein Gepäck zum Bahnhof, stellte es in ein Schließfach und buchte dann die Rückreise für den nächsten Tag um. Er nahm den spätesten Zug, den es gab, er würde erst um Mitternacht daheim sein. Im Büro anzurufen und zu sagen, er brauche dringend noch einen weiteren Urlaubstag, war kein Problem, aber einen guten Grund für seine Frau zu finden, warum er erst einen Tag später und dann auch noch so spät in der Nacht käme, war bedeutend schwieriger. Schließlich fiel ihm ein, dass sein Hobby immer ein gutes Motiv hergab und so erfand er einen zweitägigen Workshop, den er schon immer im Auge gehabt hatte, zudem gleitet von einem berühmten Fotografen, an dem er unbedingt teilnehmen müsse. Er rief sie an, sie murrte, aber was wollte sie machen, sie wusste ja, dass er in mancher Hinsicht unzurechnungsfähig war. Apropos Fotografieworkshop, er hatte sich vorgenommen Consuela in der Zeit, in der sie zusammen waren, ausgiebig zu fotografieren und so geschah es dann auch. Sie trafen sich mittags in dem Lokal, aßen zusammen und zeigten ganz offen, mit Händchen halten und verzückten Blicken, dass sie sich in dem unberechenbaren Zustand des Verliebtseins befanden. Consuela war mit seinen Plänen einverstanden, wünschte sich nur, in seiner Begleitung die Stadt etwas besser kennenzulernen, in der sie nun schon seit zwei Jahren lebte und von der sie noch so gut wie nichts gesehen hatte. Besonders angetan war sie aber von seinem Vorschlag, eine weitere Nacht zusammen in einem Hotel zu verbringen und sie machte auch gleich einen Vorschlag, in welchem. Er besorgte Tagestickets für den Nahverkehr und dann fuhren sie mit Bus und Bahn quer durch die Stadt und er fotografierte sie, wie ein verliebter Schüler seine erste Liebe in zahlreichen Bildern festhalten muss. Zwischendurch machte er ein paar Selfies mit seinem Handy von Consuela, von sich allein und von beiden, um ein paar Papierbilder in einem Drogeriemarkt anfertigen zu lassen. Ansonsten fotografierte er immer nur Consuela, vor den Schiffen im Hafen, vor dem Rathaus, in der Fußgängerzone, vor einem Denkmal, am Übergang einer belebten Straße. In einem Park, besser gesagt in einer seiner verwilderten, menschenleeren Ecken, zog sie ihre Jacke aus, streifte ihren Pulli hoch, entnahm die Brüste dem BH und wackelte mit ihnen herum, dabei lachte sie, wie eine pubertierende Schülerin auf einer Klassenfahrt. Sie waren schon wieder heiß aufeinander, Consuela stöhnte und keuchte und sie küssten und befummelten sie ausgiebig und er drückte ihre Brüste und suchte mit seiner Hand ihre intimsten Stellen, während sie es ihm ebenfalls mit der Hand besorgte. Schon vorher hatten sie immer wieder lange, feuchte Küsse ausgetauscht und dabei kaum Rücksicht auf ihre Umgebung genommen und von manchen Beobachtern erstaunte, wenn nicht gar entrüstete Blicke geerntet. Sie fühlten sich wie auf einer Hochzeitsreise und fieberten dem Höhepunkt entgegen, der, nach einem romantischen Dinner bei Kerzenschein, in einem Hotel stattfinden sollte, das einige Stufen besser war, als das Imperial, aber dennoch mit tolerantem Personal am Empfang, wo man nicht erpicht war, Ausweise oder andere Dokumente der Kunden sehen zu wollen, dafür war der Preis für die ganze Nacht ziemlich gesalzen. Consuela hatte die Adresse von ihren Kolleginnen erhalten, war aber noch nie in dieses, für sie sehr exquisites Ambiente eingeladen worden.

 

Auch diese Nacht wurde wirklich unvergesslich, weil neben ihren Liebesspielen, eine weitere, ausgiebige Fotosession hinzukam, Consuela in allen Stadien der Be- und Entkleidung, sie war überraschenderweise ganz unkompliziert und für jede Variante zu haben, ohne Scheu und Prüderie, verlangte aber nur, dass er die Bilder nicht veröffentlichen sollte und auch niemandem zeigen sollten, sie seien nur für ihn, Erinnerungen an die wunderschönen Stunden. Am nächsten Vormittag, nach einem ausgiebigen Frühstück in einem Café, gestand ihm Consuela, dass sie noch nie so gut gegessen hatte, wie an diesen Tagen, es sei wie alle Feiertage des Jahres zusammen genommen und sie gestand weiter, dass sie sich noch nie so wohl gefühlt habe, seit sie ihre Heimat und ihre Kinder verlassen habe und dass sie Angst habe und traurig sei, weil schon bald alles wieder vorbei sei. Sie verzichteten an das verliebte Erkunden der Stadt, dafür hielten sie sich lange in der Fußgängerzone auf und Consuela, obwohl sie sich nichts, aber auch gar nichts wünschte, bekam doch einige „Erinnerungen“, wie er die kleinen Geschenke nannte, die angeblich die Freundschaft erhalten. Anschließend aßen sie noch einmal gut zu Mittag, machten eine Hafenrundfahrt und verbrachten dann einige Zeit auf der etwas abgelegenen Parkbank, die Welt wieder um sich herum vergessend, nur sich selbst und ihren Gefühlen ausgeliefert. Am späten Nachmittag, als der Frühaufsteher so langsam öffnete, gingen sie zu Wanda. Er bezahlte seine Schulden und machte sich bei der Wirtin sehr beliebt, indem er ihr ein ordentliches Trinkgeld hinterließ. Consuela redete und redete und hörte gar nicht mehr auf, von dieser wunderschönen gemeinsamen Zeit mit dem caballero zu schwärmen. Es war ihr völlig egal, ob Wanda alles verstand, Hauptsache, sie konnte reden und ihre Emotionen los zu werden. Wanda verstand zumindest soviel, dass sie tief beeindruckt und vermutlich auch ein wenig eifersüchtig war. Eine Stunde vor Abfahrt des Zuges, gingen sie noch einmal in das schäbige Imperial, es war zwar in vieler Hinsicht billig, aber es lag günstig, nicht weit weg vom Bahnhof und sie konnten ihre erste Begegnung noch einmal auferstehen lassen, jedenfalls zum Teil. Als er ihr nun endlich das Geld gab, das sie sich redlich verdient hatte, er hatte sich am Nachmittag noch einmal Nachschub aus einem Geldautomaten geholt, nahm Consuela es dankbar an. Sie versicherte zum wiederholten Mal, dass die Zeit mit ihm die schönsten Stunden in ihrem Leben gewesen seien und dass sie bestimmt nie wieder kämen. Er solle ihr nichts versprechen, von wegen Treue oder Wiedersehen. Sie glaube keinem Mann und sie wolle ihn in guter Erinnerung behalten. Da sie kein Telefon hatte, wäre es auch kaum möglich gewesen, Kontakt aufzunehmen. Auch er war überzeugt, dass es bei einem weiteren Treffen, nicht noch schöner werden könnte und er hatte auch das Gefühl, das beide zu einem guten, harmonischen Abschluss gekommen waren, denn als nächstes hätten sich unweigerlich die Probleme des Lebens eingestellt, eine sinnvolle Fortführung ihrer Beziehung wäre wohl nicht möglich gewesen und wie er mit solch einer „amour fou“ in seinem normalen Alltag zurecht gekommen wäre, wollte er sich lieber gar nicht überlegen. So war ein Abschied mit Tränen allemal besser, auch für Consuela, die realistisch genug war, um zu wissen, dass dies ein schönes, einmaliges Ereignis gewesen war, aber nicht der Wendepunkt in ihrem Leben und schon gar nicht der Beginn einer standhaften, neuen Liebe. So lagen sie sich auf dem Bahnsteig zum letzten Mal in den Armen, küssten sich noch einmal voller Leidenschaft, drückten noch einmal ihre Leiber fest aneinander und die vorhergesagten Tränen rannen über das Gesicht der Mexikanerin und auch er hatte mit würgenden Gefühlen zu kämpfen. Dann musste er einsteigen. Der Zug fuhr pünktlich ab und er sah, wie ihre Gestalt kleiner wurde. Weil man in einem ICE die Fenster aber nicht öffnen kann und sich nicht so wie früher, in seiner Jugend, hinauslehnen, schauen und winken kann, war sie auch sehr rasch aus seinem Gesichtsfeld verschwunden. Sie blieb aber in seinem Gedächtnis und auf den Dateien in seiner Kamera, und da würde sie noch lange, sehr lange bleiben.

 

 

LETZTE BEITRÄGE